Donnerstag, 26. Juni 2014

Betriebsverfassungsgesetz praktisch ohne Gewicht in Reha-Kliniken

An anderer Stelle hatte ich schon dargelegt, dass der stationäre Reha-Bereich schon mangels der Anwendungsmöglichkeit des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ein nahezu rechtsfreier Raum ist, in welchem die Rehakliniken bezüglich ihrer Pflegesätze quasi der Gnade ihrer Kostenträger (in der Regel sind das die Rentenversicherungen und zum kleineren Teil die Krankenversicherungen) ausgesetzt sind.  Eine weitere Folge des Pflegesatzdiktats durch die Rentenversicherer sind massive Einschränkungen der Arbeit von Betriebsräten in Reha-Kliniken.

Die in §37 Abs. 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) vorgesehene Befreiung der Betriebsräte von beruflicher Tätigkeit, um erforderliche Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen, sowie laut Abs. 6 und 7 die Möglichkeit, an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilzunehmen, bedeutet in der Regel, dass Betriebsräte im Umfang von ca. 20-30% für ihre arbeitsvertragliche Aufgabe auf Dauer nicht zur Verfügung stehen. Wenn Letztere unter der Arbeitsbefreiung nicht leiden soll, bedeutet dies zwingend eine entsprechende Berücksichtigung im Stellenplan.

Und genau das wird in Reha-Kliniken nicht gemacht. Zum einen weigern sich die Kosten tragenden Renten- und Krankenversicherer, den personellen Mehraufwand für Kliniken mit Betriebsräten bei den Pflegesatzverhandlungen zu berücksichtigen. Da etliche Kliniken erst gar keine Betriebsräte haben – dadurch einen geringeren Pflegesatz benötigen –, wird dies den Kliniken mit Betriebsräten quasi als privater Luxus angerechnet, den zu finanzieren ihr eigenes Problem sein soll. Zum anderen kommt das manchem Klinikträger mindestens zum Teil gelegen, hat er doch jetzt ein „unwiderlegbares“ Argument – die fehlende Refinanzierung –, um jeden Freistellung fordernden Betriebsrat damit mundtot zu machen. Das Betriebsverfassungsgesetz gerät zur Makulatur, indem Betriebsräte nicht mehr wagen, ihre BR-Aufgaben im erforderlichen Umfang durchzuführen. Was bleibt, ist die Organisation von Betriebsfeiern und dergleichen oder bestenfalls ein engagiertes Arbeiten mit äußerst begrenztem zeitlichem Umfang. Bestimmt nicht das, was der Gesetzgeber ursprünglich vorgesehen hatte.

Mehr noch: Die Rechtslage wird oftmals regelrecht auf den Kopf gestellt. In meinem eigenen Fall kann ich ein Lied davon singen. Mein Arbeitgeber ist keinesfalls ein kirchlicher, sondern einer, von dem man eigentlich erwarten würde, dass er das Betriebsverfassungsgesetz – gesetzt den Fall, es sei noch nie zuvor verabschiedet worden – selbst auf den Weg bringen müsste. Doch dieser eigentlich Arbeitnehmern und Gewerkschaften traditionell nahestehende Wohlfahrtsverband tut alles, um eine effektive BR-Arbeit zu unterlaufen. (So wird auch lediglich weniger als die Hälfte seiner über 2000 Angestellten in einer bayerischen Region überhaupt durch Betriebsräte vertreten). Als Betriebsrat einer Fachklinik, der gesetzlich auch zur Mitarbeit im Gesamtbetriebsrat des diese Klinik unterhaltenden Unternehmens verpflichtet ist und sich deshalb in diesem Gremium sowie dessen geschäftsführendem Vorstand (Gesamtbetriebsausschuss) engagiert, müsste ich mindestens zu 30% von meiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit als Therapeut entlastet werden. Tatsächlich werde ich jedoch mit dem erwähnten Argument der fehlenden Refinanzierung zu 0% entlastet. Daraus ist letztlich (wie bei vielen anderen meiner Kollegen auch) eine Art Kompromiss entstanden: Ca. 15% meiner Arbeitszeit investiere ich tatsächlich in die betriebsratlichen Aufgaben. Von diesen 15% kompensiere ich vielleicht 10% selbst durch Arbeitsverdichtung. Dann bleiben also ca. 5% (weniger als 2 Stunden pro Woche), die ich faktisch für meine Aufgabe als Therapeut nicht zur Verfügung stehe (z.B. durch Nichtteilnahme an manchen Besprechungen).

Jetzt kommt die Verdrehung der Rechtslage: Nicht, dass ich einen Großteil meiner gesetzlichen Verpflichtung als Betriebsrat eigentlich vernachlässige, wird mir zum Vorwurf gemacht, sondern, dass ich meine arbeitsvertragliche Tätigkeit als Therapeut nur zu gut 98% ausübe. (Worüber sich der Arbeitgeber eigentlich auch freuen könnte, nachdem die Hauptlast dieses Konfliktfeldes nicht auf seiner Schulter liegt). Damit der ganze Irrsinn nun noch komplett wird, ist es obendrein gelungen, auch die Mitarbeiter glauben zu machen, dass Betriebsratsarbeit nicht so viel (eigentlich gar keine) Zeit in Anspruch nehmen darf, da sie ja nicht durch zusätzliche Einstellungen ausgeglichen werden kann, sondern zulasten aller gehen muss. Betriebsräte, die sich „zu sehr“ engagieren, werden gebrandmarkt, während solche, die eigentlich ihres Amtes enthoben gehören, weil sie ihren Pflichten als Betriebsräte kaum nachkommen, fein raus sind. Daraus resultiert dann ein betriebliches Klima, in welchem man geneigt sein könnte, lieber auf einen Betriebsrat zu verzichten. Und tatsächlich ist das auch in den meisten Einrichtungen desselben Verbandes der Fall.


Die abschließende Frage stellt sich jetzt: Wann endlich wird dieser Wohlfahrtsverband, für den ich arbeite, sein nicht unerhebliches politisches und gesellschaftliches Gewicht einsetzen, um die Schließung einer eklatanten Gesetzeslücke zu fordern, sodass auch im Rehabereich BR-Arbeit in Pflegesatzverhandlungen berücksichtigt werden muss und damit überhaupt erst wirksam durchgeführt werden kann? Oder ist es diesem Wohlfahrtverband tatsächlich lieber, seine Grundwerte, wie Solidarität oder das noch 2012 vorgetragene klare Bekenntnis zur betrieblichen Mitbestimmung, mit Füßen zu treten, nur weil Betriebsräte manchmal Mühe bereiten, indem sie dazu neigen, das sonst dominierende vorrangig betriebswirtschaftliche Denken infrage zu stellen.

1 Kommentar:

  1. Vielleicht wäre es eine Lösung, wenn du deine BR-Arbeit künftig zu festgelegten Zeiten durchführst (z.B. jeden Montag 2 Stunden plus die bereits feststehenden GBR-Termine) und dann mit deinem Arbeitgeber verhandelst, wie er dich dafür grundsätzlich freistellen will. Dein Arbeitspensum müsste auf jeden Fall verringert werden. Sollte dann dein Arbeitgeber auf die Idee kommen, einfach deine Kollegen mit zusätzlichen Aufgaben zu belastet (die du ja nicht mehr wahrnimmst), wäre zu prüfen, ob nicht das in §41 BetrVG verankerte Umlageverbot nicht nur im finanziellen Sinn gilt, sondern auch bezüglich Mehrbelastung durch Arbeit. OK wäre es aber, wenn deine Kollegen freiwillig Überstunden machen, in denen sie deine Arbeit übernehmen und die anschließend ausbezahlt werden. Ich wünsche dir jedenfalls die nötige Kraft, um deinen Standpunkt klar zu vertreten.

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