An anderer Stelle hatte
ich schon dargelegt, dass der stationäre Reha-Bereich schon mangels der
Anwendungsmöglichkeit des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ein nahezu
rechtsfreier Raum ist, in welchem die Rehakliniken bezüglich ihrer Pflegesätze
quasi der Gnade ihrer Kostenträger (in der Regel sind das die
Rentenversicherungen und zum kleineren Teil die Krankenversicherungen)
ausgesetzt sind. Eine weitere Folge des Pflegesatzdiktats durch die
Rentenversicherer sind massive Einschränkungen der Arbeit von Betriebsräten in
Reha-Kliniken.
Die in §37 Abs. 2 BetrVG
(Betriebsverfassungsgesetz) vorgesehene Befreiung der Betriebsräte von
beruflicher Tätigkeit, um erforderliche Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen,
sowie laut Abs. 6 und 7 die Möglichkeit, an Schulungs- und
Bildungsveranstaltungen teilzunehmen, bedeutet in der Regel, dass Betriebsräte
im Umfang von ca. 20-30% für ihre arbeitsvertragliche Aufgabe auf Dauer nicht
zur Verfügung stehen. Wenn Letztere unter der Arbeitsbefreiung nicht leiden
soll, bedeutet dies zwingend eine entsprechende Berücksichtigung im Stellenplan.
Und genau das wird in
Reha-Kliniken nicht gemacht. Zum einen weigern sich die Kosten tragenden
Renten- und Krankenversicherer, den personellen Mehraufwand für Kliniken mit
Betriebsräten bei den Pflegesatzverhandlungen zu berücksichtigen. Da etliche
Kliniken erst gar keine Betriebsräte haben – dadurch einen geringeren
Pflegesatz benötigen –, wird dies den Kliniken mit Betriebsräten quasi als
privater Luxus angerechnet, den zu finanzieren ihr eigenes Problem sein soll.
Zum anderen kommt das manchem Klinikträger mindestens zum Teil gelegen, hat er
doch jetzt ein „unwiderlegbares“ Argument – die fehlende Refinanzierung –, um
jeden Freistellung fordernden Betriebsrat damit mundtot zu machen. Das
Betriebsverfassungsgesetz gerät zur Makulatur, indem Betriebsräte nicht mehr
wagen, ihre BR-Aufgaben im erforderlichen Umfang durchzuführen. Was bleibt, ist
die Organisation von Betriebsfeiern und dergleichen oder bestenfalls ein
engagiertes Arbeiten mit äußerst begrenztem zeitlichem Umfang. Bestimmt nicht
das, was der Gesetzgeber ursprünglich vorgesehen hatte.
Mehr noch: Die
Rechtslage wird oftmals regelrecht auf den Kopf gestellt. In meinem eigenen
Fall kann ich ein Lied davon singen. Mein Arbeitgeber ist keinesfalls ein
kirchlicher, sondern einer, von dem man eigentlich erwarten würde, dass er das
Betriebsverfassungsgesetz – gesetzt den Fall, es sei noch nie zuvor
verabschiedet worden – selbst auf den Weg bringen müsste. Doch dieser
eigentlich Arbeitnehmern und Gewerkschaften traditionell nahestehende Wohlfahrtsverband
tut alles, um eine effektive BR-Arbeit zu unterlaufen. (So wird auch lediglich
weniger als die Hälfte seiner über 2000 Angestellten in einer bayerischen
Region überhaupt durch Betriebsräte vertreten). Als Betriebsrat einer Fachklinik,
der gesetzlich auch zur Mitarbeit im Gesamtbetriebsrat des diese Klinik unterhaltenden
Unternehmens verpflichtet ist und sich deshalb in diesem Gremium sowie dessen
geschäftsführendem Vorstand (Gesamtbetriebsausschuss) engagiert, müsste ich
mindestens zu 30% von meiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit als Therapeut entlastet
werden. Tatsächlich werde ich jedoch mit dem erwähnten Argument der fehlenden
Refinanzierung zu 0% entlastet. Daraus ist letztlich (wie bei vielen anderen
meiner Kollegen auch) eine Art Kompromiss entstanden: Ca. 15% meiner Arbeitszeit
investiere ich tatsächlich in die betriebsratlichen Aufgaben. Von diesen 15%
kompensiere ich vielleicht 10% selbst durch Arbeitsverdichtung. Dann bleiben
also ca. 5% (weniger als 2 Stunden pro Woche), die ich faktisch für meine
Aufgabe als Therapeut nicht zur Verfügung stehe (z.B. durch Nichtteilnahme an
manchen Besprechungen).
Jetzt kommt die Verdrehung
der Rechtslage: Nicht, dass ich einen Großteil meiner gesetzlichen Verpflichtung
als Betriebsrat eigentlich vernachlässige, wird mir zum Vorwurf gemacht, sondern,
dass ich meine arbeitsvertragliche Tätigkeit als Therapeut nur zu gut 98%
ausübe. (Worüber sich der Arbeitgeber eigentlich auch freuen könnte, nachdem
die Hauptlast dieses Konfliktfeldes nicht auf seiner Schulter liegt). Damit der
ganze Irrsinn nun noch komplett wird, ist es obendrein gelungen, auch die
Mitarbeiter glauben zu machen, dass Betriebsratsarbeit nicht so viel (eigentlich
gar keine) Zeit in Anspruch nehmen darf, da sie ja nicht durch zusätzliche
Einstellungen ausgeglichen werden kann, sondern zulasten aller gehen muss. Betriebsräte,
die sich „zu sehr“ engagieren, werden gebrandmarkt, während solche, die
eigentlich ihres Amtes enthoben gehören, weil sie ihren Pflichten als Betriebsräte
kaum nachkommen, fein raus sind. Daraus resultiert dann ein betriebliches Klima,
in welchem man geneigt sein könnte, lieber auf einen Betriebsrat zu verzichten.
Und tatsächlich ist das auch in den meisten Einrichtungen desselben Verbandes
der Fall.
Die abschließende Frage
stellt sich jetzt: Wann endlich wird dieser Wohlfahrtsverband, für den ich
arbeite, sein nicht unerhebliches politisches und gesellschaftliches Gewicht
einsetzen, um die Schließung einer eklatanten Gesetzeslücke zu fordern, sodass auch
im Rehabereich BR-Arbeit in Pflegesatzverhandlungen berücksichtigt werden muss
und damit überhaupt erst wirksam durchgeführt werden kann? Oder ist es diesem
Wohlfahrtverband tatsächlich lieber, seine Grundwerte, wie Solidarität oder das
noch 2012 vorgetragene klare Bekenntnis zur betrieblichen Mitbestimmung, mit
Füßen zu treten, nur weil Betriebsräte manchmal Mühe bereiten, indem sie dazu
neigen, das sonst dominierende vorrangig betriebswirtschaftliche Denken infrage
zu stellen.
Vielleicht wäre es eine Lösung, wenn du deine BR-Arbeit künftig zu festgelegten Zeiten durchführst (z.B. jeden Montag 2 Stunden plus die bereits feststehenden GBR-Termine) und dann mit deinem Arbeitgeber verhandelst, wie er dich dafür grundsätzlich freistellen will. Dein Arbeitspensum müsste auf jeden Fall verringert werden. Sollte dann dein Arbeitgeber auf die Idee kommen, einfach deine Kollegen mit zusätzlichen Aufgaben zu belastet (die du ja nicht mehr wahrnimmst), wäre zu prüfen, ob nicht das in §41 BetrVG verankerte Umlageverbot nicht nur im finanziellen Sinn gilt, sondern auch bezüglich Mehrbelastung durch Arbeit. OK wäre es aber, wenn deine Kollegen freiwillig Überstunden machen, in denen sie deine Arbeit übernehmen und die anschließend ausbezahlt werden. Ich wünsche dir jedenfalls die nötige Kraft, um deinen Standpunkt klar zu vertreten.
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